Institut für Hochschulrecht

Direktor René Schneider

Institute for University Law, est. 1993
Schneider  Institute  Breul 16  48143 Münster  Germany


Für große Weltpolitik
hat der AStA kein Mandat

Von René Schneider
in: Die Entscheidung,
Heft 10/1996, S. 42-43

Seit einiger Zeit berichten die großen Zeitungen von einer "Klagewelle" gegen die Studentenvertretungen in Nordrhein-Westfalen (Focus vom 6. Mai 1996, Süddeutsche Zeitung vom 15. Juni 1996, F.A.Z. vom 5. Juli 1996). Worum geht es wirklich?

Der Allgemeine Studentenausschuß (AStA) ist das ausführende Organ oder Verwaltungsorgan der verfaßten Studentenschaft einer Hochschule. Wer in Nordrhein-Westfalen studiert, wird automatisch beitragspflichtiges Mitglied der Studentenschaft. Diese hat gemäß Paragraph 71 II 2 UG die folgenden Aufgaben:

1. Die Interessen ihrer Mitglieder im Rahmen dieses Gesetzes zu vertreten;
2. hochschulpolitische Belange ihrer Mitglieder wahrzunehmen und zu hochschulpolitischen Fragen Stellung zu nehmen;
3. fachliche, wirtschaftliche und soziale Belange ihrer Mitglieder wahrzunehmen;
4. kulturelle Belange ihrer Mitglieder wahrzunehmen;
5. den Studentensport zu fördern;
6. überörtliche und internationale Studenbenbeziehungen zu pflegen.

Ähnlich ist die Rechtslage in den anderen Bundesländern. Nur in Baden-Württemberg und Bayern wurde die verfaßte Studentenschaft schon abgeschafft, weil sie mehr schadet als nutzt. Aus dem Zwang zur Mitgliedschaft in einer Studentenschaft folgt, daß diese ihre Aufgaben parteipolitisch neutral erfüllen muß und schwarze, rote, grüne oder andere Meinungen nicht vertreten darf. Gemäß Paragraph 71 III 2 UG vollzieht sich eine "über die Aufgaben der Studentenschaft hinausgehende allgemeinpolitische Willensbildung" nämlich in den privaten "studentischen Vereinigungen an der Hochschule" und keinesfalls im politisch neutralen AStA!

Wenn die unfreiwilligen Mitglieder der Studentenschaft in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 I GG nicht verletzt werden sollen, müssen alle Aeußerungen oder tatsächlichen Handlungen der Studentenschaft "spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen" (OVG NW, Beschluß vom 6. September 1994, 25 B 1507/94 = DVBl. 1995, 433 = KMK- HSchR/NF 31J Nr. 7 = NVwZ-RR 1995, 278 = NWVBl. 1995, 135) sein.

Wegen wiederholter Verstöße gegen diese Rechtslage ergingen die einstweilige Anordnungen gegen die Studentenschaften in Bonn (VG Köln, 6 L 28/96) und Wuppertal (VG Düsseldorf, 15 L 781/96). Weitere Verfahren - auch in anderen Bundesländern - befinden sich in Vorbereitung. Die tragenden Gründe der bisherigen Entscheidungen werden von den Betroffenen gerne verschwiegen, verniedlicht und durch harmlose Beispiele ersetzt.

Was führte wirklich zur Verurteilung der drei Studentenschaften?

In Münster hatte der AStA in seinem Magazin "Links vorm Schloß" das Pamphlet "Wie ich mal bei der RAF war" (von Holm Friebe) veröffentlicht, die Opfer der Terroristen verhöhnt und Sympathiewerbung für die RAF betrieben. Als das herauskam, berief der AStA sich auf die Kunstfreiheit für eine angeblich nur mißverstandene Satire und das Verfahren gegen die Beteiligten wurde später durch die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mit Zustimmung des Oberlandesgerichts Düsseldorf wegen geringer Schuld eingestellt. Das OVG NW begründete seine einstweilige Anordnung aber auch mit einem Beitrag aus dem Umfeld der kurdischen Terror-Organisation PKK in der Zeitung der Studentenschaft sowie mit einer AStA-Broschüre zur Weltfriedenspolitik und "Beispielen zur Kritik an den Blauhelmen, der NATO, der WEU und der Rolle Deutschlands in Bezug auf UNO, NATO und WEU ...".

In Bonn waren es vor allem Äußerungen gegen die Atomindustrie und für einen in den USA verurteilten Polizistenmörder, die nicht "spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen" waren und deshalb nicht alle Studenten in ihrer Eigenschaft als Studenten gruppenspezifisch repäsentierten.

In Wuppertal waren eine "Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär", "Aktionen des Ökologiereferates gegen die französischen Atomversuche sowie des Antifaschismus-Referates gegen die Aufhebung des Abschiebestopps in NRW" usw. nicht "spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen" und in dem anschließenden Urteilsverfahren wird das Gericht sehr genau prüfen, ob z. B. die Einrichtung eines "Autonomen Schwulenreferates" die gruppenspezifi-

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schen Interessen aller Mitglieder der Studentenschaft in ihrer Eigenschaft als Studenten berührt oder ob Sexualität eine private Angelegenheit der Individuen ist.

Unter Kennern der Materie besteht Einigkeit, daß ein allgemeinpolitisches Mandat der Studentenschaft aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist. Auch eine Änderung des Landesrechts kann deshalb an der Rechtslage nichts ändern. Das Gesetz wäre verfassungswidrig und könnte durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sofort aufgehoben werden. Wer sich an der Hochschule allgemeinpolitisch äußern will, muß dies also privat und auf eigene Kosten im Rahmen der freiwilligen Vereinigungen und nicht im AStA unternehmen. Der AStA hat andere Aufgaben, die aber sträflich vernachläßigt werden und für Parteipolitik ohnehin keinen Anlaß bieten: Die Damen und Herren vom AStA und vom Studentenparlament (SP) sollen sich endlich einmal darum kümmern, daß Klausuren nicht in überfüllten Räumen geschrieben werden, wo die Studenten auf Treppen oder Fußböden sitzen und ihre Leistungsnachweise mehr schlecht als recht erwerben können, daß die Lehrveranstaltungen ordnungsgemäß durchgeführt werden und, daß die Studienbedingungen allgemein verbessert werden. Das sind spezifische Belange, die der AStA und das SP zwar vertreten sollen, aber nicht wahrnehmen, weil sie die verfaßte Studentenschaft lediglich als Finanzierungsinstrument für die Darstellung und Durchsetzung ihrer allgemeinpolitischen Ideologien mißbrauchen!

In einem Leitfaden »Studentische Selbstverwaltung« erklärt der frühere AStA-Vorsitzende Hinken, der 1995 in Münster über einen Haushalt von mehreren Millionen Deutsche Mark verfügte, daß er sein Amt »wirklich rein zufällig« bekam, »a eine Stelle vakant war und keine andere Person rein wollte«

Ebenfalls in Münster hat die Fachschaft Soziologie einige tausend Deutsche Mark zur Selbstbewirtschaftung erhalten. In dem bereits erwähnten Leitfaden erklärt Jens Peter Kastner für die Fachschaft den »Unterschied zwischen sogenannten "linken" und "rechten" Fachschaften«: »Fachschaftsarbeit wird von den rechten Fachschaften als Servicebetrieb verstanden, wo es um BAFöG-Beratung und die Frage "Wie kriege ich am besten meine Scheine zusammen" geht. Linke Fachschaften dagegen haben immer noch den Anspruch, ihre Arbeit in einen gesamtpolitischen Kontext einzubetten ...«.

Das Geld aus dem Beitragsaufkommen der Studenten ist nach allgemeinen Haushaltsgrundsätzen sparsam zu bewirtschaften, z. B. für soziale Fragen (BAFöG, Neubau und Modernisierung der Wohnheime mit größeren Zimmern, Bad, WC, Telefon, Kinderbetreuung), Verbesserung der Studien- und Prüfungsbedingungen, Studienberatung und -hilfe, Überwindung der Anonymität und Förderung der Kontakte aller Mitglieder der Hochschule ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Gruppen. Auf diesen Gebieten hat bisher kein AStA etwas Vernünftiges geleistet. Das muß sich ändern. Für die große Weltpolitik hat der AStA kein Mandat - und deshalb auch kein Geld! Jens Peter Kastner beschreibt das Gegenteil: "Posten haben wir jetzt auch eingerichtet, weil wir ja die Selbstbewirtschaftung haben. Das sind aber eher formale Posten, die eigentlich keine Bedeutung haben. Wir arbeiten kollektiv zusammen. Im Moment sind wir vier bis fünf Aktive. Vor zwei, drei Semestern waren es noch sieben bis acht, aber die Zeiten ändern sich ...". Er erklärt, was ihn persönlich bewogen hat, "bei der Fachschaft einzusteigen": "In erster Linie geht es mir darum, die Welt zu verändern. In zweiter Linie deshalb, weil ich die Leute so nett fand, ... . In dritter Linie ..., mich da zu engagieren, wo ich betroffen bin, ... . Und da will ich dann eben meine Ansatzpunkte haben, um da was zu verändern." Während der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen im Rahmen eines gescheiterten Versuches, das UG zu ändern (Landtag NW, Ausschußprotokoll 11/1593) sagte Professor Habetha für die Landesrektorenkonferenz, daß nach seinem Eindruck "die Aufgaben der Studentenschaft reichlich sind, so daß eigentlich gar kein Platz für die Studenten, die ja nebenbei noch studieren, ist, sich noch mit allen möglichen Sachen zu befassen"! Das führt zu der Frage, warum die Rektorate und die Ministerien, welche die Rechtsaufsicht über die Studentenschaften wahrnehmen müssen, sich seit Jahrzehnten weigern, ihre Pflicht zu erfüllen und gegen die anarchischen Zustände im AStA einzuschreiten. Das Rektorat der Wuppertaler Uni ließ einem Studenten sogar mitteilen: "Das Rektorat übt sein Ermessen, wie Ihnen ... bekannt ist, in der Weise aus, daß es nur in besonders schwerwiegenden Fällen einzugreifen beabsichtigt. Als schwerwiegend kann z. B. angesehen werden, wenn der behauptete und nachgewiesene Rechtsverstoß die Funktion der Organe der Studentenschaft gefährden würde oder wenn aus ihm ein erheblicher Schaden für die Hochschule erwachsen könnte. ... Überdies läßt sie diese Entscheidung nicht rechtsschutzlos, weil Ihnen die Möglichkeit unbenommen ist, ... Ihr Recht in der Weise zu suchen, wie es der Antragsteller in dem von Ihnen angesprochenen Beschluß des OVG Münster getan hat."


"Die Risiken des Allgemeinen Politischen Mandats sind doch heute eindrucksvoll vor Augen geführt worden. Gewalt, Eskalation, Ausländerpolitik, Terrorismus, PKK, Asylpolitik, Drogenpolitik, Päderastie, Kinderpornographie, Hureninitiative, Anti-Atom-Politik - na eben alles, womit sich der Allgemeine Studentenausschuß so beschäftigt."

Vgl. Dietrich Schwanitz, "Der Zirkel", Roman,
Verlag Eichborn, August 1998, S. 218


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